Nahrungsbeschaffung
Vielleicht geht es dir auch so: wenn ich in einem Supermarkt einkaufen muss, den ich nicht kenne, bin ich gestresster, als in dem Laden meines Vertrauens, in dem ich weiß, wo alles steht. Zugegeben hat das eher damit zu tun, dass die Nahrungsbeschaffung dann immer länger dauert, weil ich jeden Gang abfahren muss, um alles in meinen Wagen zu laden.
Trotzdem trägt eine vertraute Umgebung für mich im normalen Alltag dazu bei, dass mein Puls nicht allzu sehr aus dem Häuschen gerät. Wenn ich dann als Obst-Gemüse-Nudel-Greifer alles sicher im Auto verstaut, in meinen Safe Place aka nach Hause transportiert habe und dort alles schnabulieren kann, ist die Welt doch wieder in Ordnung.
Unsere Hunde als Beutegreifer gehen im Idealfall nicht selbstständig „einkaufen“!
Ein kleiner Tipp am Rande: es lohnt sich, an der Jagdkontrolle seines Hundes zu arbeiten oder zumindest mal zu checken, ob es Hoffnung gibt. =) Kontrolle, nicht ANTIJAGD-Training. Das ist ein großer und wichtiger Unterschied!
Und was bleibt dann dem Hund? Er bekommt etwas eingekauft und vorgesetzt (Bedienstete kümmern sich).
Na gut, die meisten Hunde sind auch nicht furchtbar wählerisch und vollkommen zufrieden, wenn denn der Nachschub regelmäßig serviert wird.
Auf die tolle und sinnhafte Art der ersatzjagdlichen Beschäftigung und damit selbstbestimmten Nahrungsbeschaffung im Rahmen der Möglichkeiten gehe ich in einem anderen Beitrag (oder auch in einigen anderen Beiträgen) ein. Dies sind elementare Anteile unserer kynogogischen Arbeit und den Bedürfnissen in den oberen beiden Schichten der Pyramide zu verorten.
Nur wer sicher ist, kann auch essen
Deshalb gehört die Nahrungsbeschaffung (die Jagd bei freilebenden Caniden) auch in die zweite Ebene der Pyramide. Nur wer in einem sicheren Umfeld / Territorium jagen und oder fressen kann, kann das auch ohne großen Stress tun. Zugegeben, die meisten Hunde sehen als Schlingfresser immer aus, als wäre es das letzte Futter für immer. Aber das ist eben auch noch den natürlichen Anlagen geschuldet, denn als Hund weiß man nie, ob ein Feind / Konkurrent um die Ecke kommt und wann die nächste Beute den Weg kreuzt.
Dazu fallen mir als menschliche Eigenart die jüngsten Hamsterkäufe von Mehl, Nudeln und Toilettenpapier ein – das ist genau das gleiche Verhalten.
Unsere Hunde sind von unserer Fürsorge abhängig, ob sie eine nächste Mahlzeit bekommen oder nicht.
Also muss man sich auch SICHER sein, dass man den weggenommenen Napf oder Knochen auch wiederbekommt, um damit lässig umgehen zu können.
Daher sollte man das mit seinem Hund zwar selbstverständlich üben, denn es muss immer möglich sein, etwas wegnehmen zu können. Aber in einer fairen Art: indem man es ankündigt und verlässlich zurückgibt – wenn es nichts Verbotenes oder Gefährliches ist, versteht sich.
Hier noch was zum drauf rumkauen - äh, -denken:
Verteidigt dein Hund sein Futter oder Kauartikel drohend?
Das ist KEIN Dominanzproblem, wie es immer wieder heißt, sondern oft eine Frage der nationalen Sicherheit – na gut, der lokalen Sicherheit, aber ebenso wichtig!
Oder guckt er nur ein wenig entrüstet, wenn du ihm was wegnehmen willst?
Zerknautscht gucken darf erlaubt sein! Stell dir vor, du sitzt vor deinem leckeren Abendessen und ständig kommt einer vorbei und klaut dir was vom Teller… Geschwister kennen das. =) Das ist doch kein schönes Gefühl…
Kann dein Hund draußen nicht fressen?
Da kommen wir z. Bsp. zum Ende der Fahnenstange, wenn man mit Leckerchen Dinge schön- oder wegfüttern will! Bei einem Hund, der das Leckerchen oder selbst die Trüffelleberwurst nicht annehmen kann, bist du machtlos, wenn du „nur“ darauf baust!
Wenn du ersatzjagdlich mit einem Beutebeutel unterwegs bist und dein Hund den Beutel nicht zu dir bringt, vermeintlich ignoriert oder eben nicht daraus fressen möchte, ist es meistens ein Sicherheitsproblem und keine „Null Bock“ – Geschichte.
Bevor du also genervt bist, weil du selbst ins Gestrüpp kriechen und den Beutebeutel bergen musst, überprüfe, ob dein Hund sich generell im 3. Umfeld nicht sicher fühlt, oder ob da nur heute gerade „gefährliche Monster“ um die Ecke lauern (Hunde, Menschen, Tiere, Geräusche).
Natürlich kann es auch sein, dass du deinem Leckermäulchen einfach nicht das Richtige für seinen Gourmetgaumen kredenzt – dann liegt das Pfefferkorn aber auch an ganz anderer Stelle und hat vielleicht eher mit deinem Verwöhn-Bedürfnis zu tun ;=)
Vielleicht hat dein Hund aber auch den Eindruck, dass du dir über die Wichtigkeit von Futter und Nahrung nicht ganz so im Klaren bist. Wir Menschen lernen im Idealfall zu teilen, geben gerne mal eine Runde aus und anderen ein Bonbon oder Kaugummi ab. Das gehört nicht gerade zu den gelehrten Tugenden eines Caniden – beim Futter hört der Spaß eindeutig auf!
Was soll ein Hund denn dann denken, wenn man einfach mit Leckerchen um sich wirft, womöglich noch auf der Hundewiese oder einfach nur im Beisein von anderen Hunden? „Mein Mensch ist wohl verrückt geworden! Der hat ja überhaupt keinen Plan! Und wenn er das schon nicht weiß, wie soll er dann für unsere generelle Sicherheit sorgen?“
Der Klügere gibt nach
Ein Hund kennt das Prinzip des Teilens und der fliegenden Kamelle beim Rosenmontagszug nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass man dort auch viele MENSCHEN mit einem ernsten Ressourcenverteidigungs-Thema sieht. Hm, vielleicht könnte man dort dann doch seine Kompetenz in Hundeaugen beweisen…
Und wenn wir ehrlich sind, sind wir auch Meister im Schätze verteidigen und gar nicht so selbstlos und spendabel mit unseren wertvollen Sachen. Was für ein Individuum wertvoll ist, ist eben individuell. Futter steht aber eindeutig bei allen ganz weit oben auf der Liste.
Natürlich denkt nicht jeder Hund, sein Mensch wurde früher mit einem Hammer gekämmt, wenn er so mit dem Futter rumaast. ABER es lohnt sich, mal daran zu denken und einfach ein wenig verantwortungsvoller und schützender damit umzugehen.
Wir brechen uns doch keinen Zacken aus der Krone, wenn wir dem hündischen Sicherheitsbedürfnis entgegenkommen und alles immer schön gleich in die Tasche stecken und nirgendwo unbedacht rumliegen lassen.
Klar wissen wir es besser und sind uns sicher, dass wir alles im Griff haben. Doch ein bedachter Umgang zeigt unserem Hund, dass er sich auch in anderen Situationen auf uns verlassen kann.
Hier ging es jetzt nur um die Nahrung als Ressource. Alle möglichen weiteren wichtigen Schätze, die es zu bewachen und zu schützen gilt, werden noch häufiger ein Thema sein.
Puh, dann ist die Basis ja jetzt geklärt
Das hoffe ich zumindest, denn wie der Begriff schon impliziert: ohne Basis / Fundament kann man auch kein stabiles Haus bzw. eine Pyramide bauen. Wir haben jetzt das nackte Überleben gesichert, aber noch nichts für das soziale Leben, den Selbstwert, das Ego und den Spaß am Leben getan! Aber nun können wir die nächsten Stufen erklimmen, aus der sich soziale Bedürfnisse, Zufriedenheit, Vertrauen, SPASS und FREUDE entwickeln und wachsen können.
Bleib also weiter dran, es ist noch lange nicht zu Ende erzählt.
Take Home Message für heute:
Ehe man vom Glück der befriedigten Bedürfnisse redet, sollte man entscheiden,
welche Bedürfnisse das Glück ausmachen.
(Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoi)